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Zen in der Kunst des Destillierens
Eine Obstabfindungsbrennerei in der Südeifel

Als die Glocke der nahen Kapelle läutet, fühle ich mich zurückversetzt in meine Kindheit, jene unbestimmte Erinnerung an eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war. Niederweiler, Heimat von etwa 100 Seelen – einer von vielen Orten mit den typischen Bauernhäusern,ähnlich krummen Gassen und ähnlichen Menschen hier in der Eifel. Genauer gesagt, in der Südeifel, 8 Kilometer sind es bis nach Bitburg – in die Stadt. Es riecht nach Kuh, denn auf der Weide hinterm Haus grasen Rinder, und es riecht nach Obst, und dieser Geruch kommt aus der Brennerei, wo ich gerade den neuen Quittenbrand probieren darf. Das sei mal ein Versuch gewesen letztes Jahr mit den Quitten, sagt mir Andreas Hahn, der Junior hier im bäuerlichen Familienbetrieb, und ich lerne, was Quitten eigentlich sind und dass sie ein ausgesprochen fruchtiges Aroma haben, mit einer leicht bitteren Note im Abgang.Aha.Wir sprechen Platt, das macht man so, schließlich sind wir unter uns und nicht in der Stadt. Und während wir im Brennraum der Obstabfindungsbrennerei unsere Gläser schwenken, erzählt er, was es mit der Obstbrandherstellung so aufsich hat. Wir befinden uns auf etwa 400m Höhe, und es gibt hier viel absolutes Grünland – Flächen, die sich nicht in Ackerflächen umwandeln lassen – wegen der Höhe, der Hanglage und der Bodenbeschaffenheit. Viele dieser Grünflächen sind traditionell Streuobstwiesen, weil das die einzige Möglichkeit war, solche Wiesen zusätzlich landwirtschaftlich zu nutzen. Die robusten Sorten der Streuobstwiesen entsprachen irgendwann nicht mehr dem Geschmack der Abnehmer, doch empfindliche Tafelobstsorten bringen im Eifelklima und in dieser Höhenlage keinen Ertrag. Vom Beginn des letzten Jahrhunderts stammt ein Gesetz,das daher hier und in ähnlichen Regionen das Abbrennen (=Destillieren) des Streuobstes erlaubt, und ziemlich genau so lange werden bei Hahns auch schon Obstbrände hergestellt. Brennen bedeutet Papierkram, und Andreas zeigt mir das Brennbuch, das Materialüberwachungsbuch, das Brennereibelegheft; jeder Abtrieb (=Brennvorgang) muss peinlichst genau eingetragen und bei der Bundesbranntweinmonopolstelle angemeldet werden. Das Brennrecht ist kontingentiert und an den landwirtschaftlichen Betrieb gebunden. Neue Kontingente werden nicht mehr ausgegeben, im Gegenteil. Doch Streuobstwiesen prägen hier das Landschaftsbild, und spätestens seit es den Naturpark Südeifel gibt, hat man Interesse daran, die Bäume zu erhalten. Mittlerweile hat jeder verstanden, dass Obstbäume heute einer mechanisierten modernen Landwirtschaft eigentlich eher im Weg stehen und sofort verschwinden würden, wenn es das Brennrecht nicht gäbe. Die Obstbrennerei nur als Familientradition? »Erstmal um Geld zu verdienen. Die Obstabfindungsbrennerei ist ein interessanter Zuerwerb zur Landwirtschaft, lukrativer als reine Viehwirtschaft.Die Arbeit ist hier vornehmlich im Winter, es ist also eine gute Ergänzung für einen Ackerbaubetrieb.Aber es macht auch Spaß.Auf einem Bauernhof kommt man nicht so viel raus, und durch den Kundenkontakt kommen neue Erfahrungen ins Haus«. Außerdem könne man für das Produkt garantieren, anders als beim Zuckerfusel aus dem Supermarkt. Die Produktion liege in einer Hand, und es sei ein ökologisch reines Produkt,mit dem man mehr verdienen könne als mit klassischen landwirtschaftlichen Bioprodukten wie Gemüse: »Aber man muss das gern machen, sonst hat es keinen Wert«. Neuerdings sei es aufgrund der EU-Richtlinien erlaubt, den fertigen Obstbrand nachzuzuckern – aber »sowas macht man nicht,dann ist das Produkt nicht mehr natürlich«. Man hat hier Grundsätze. Es ist feucht und warm im Brennraum, und der Kupferblase des Brenngerätes sieht man die hohe Temperatur an. Am Ende der Destillierkolonne läuft aus einem kleinen Rohr eine klare Flüssigkeit – der Rohbrand. Den könnte man zwar schon trinken, aber er schmeckt nicht besonders. Die eigentliche Reifung erfolgt erst durch die lange Lagerung im Eichenfass. Was denn nun das Geheimnis eines guten Obstbrandes sei, will ich wissen. Andreas zuckt mit den Schultern. Sorgfalt – nur einwandfreies, ungespritztes Obst findet Verwendung, und man muss sich Zeit lassen. Beim Einmaischen des Obstes, beim Brennen, bei der Lagerung und auch beim Trinken. Hier fällt das nicht schwer, denke ich mir, während ich mein Glas ausspüle, um es mit Schlehe füllen zu lassen – hier, wo die Uhren ohnehin anders laufen. Vor allem das langsame, schonende Destillieren ist sowohl eine Kunstform wie eine Zenübung und erfordert viel Erfahrung des Brenners,um für jede Obstsorte eine perfekte Trennung des aromatischen Mittellaufes vom Vorlauf und vom Nachlauf mit seinen schwereren, schlechteren Aromen zu erreichen. Bisher war für mich ein Schnaps bloß ein Mittel, das man kippt, um sich noch effektiver zu betrinken als mit Bier allein. Aber mir dämmert, dass man einem Obstbrand damit Unrecht tut. Destillieren ist eine Kunst, und ein Obstdestillat ist fast wie ein trinkbares Parfum, die Essenz und die Aromen einer ganzen Fruchternte. »Ich hab da noch was Besonderes« – mit einem verschwörerischen Blick verschwindet Andreas im Haus, und präsentiert mir kurz daraufwie eine Kostbarkeit eine kleine Phiole, daraufsteht:Vogelbeere. »Das war ein ganz spezieller Versuch« sagt er und schenkt uns nur wenig ein. Ich denke daran, dass man mir immer sagte, die kleinen Roten nicht zu essen und erwarte entweder auf der Stelle tot umzufallen, oder aber ewige Jugend zu erlangen ob dieses seltenen Elixiers. Das Wort seltentrifft zu, denn Vogelbeere geht nicht in den Verkauf – die Ausbeute ist einfach zu gering. Bei der Vermarktung ihrer Brände gehen Hahns eigene Wege. Ausschließlich Direktvermarktung – »unsere Kunden sind fast alle Stammkunden.Wer einmal da war,kommt wieder«. Während wir an einem Glas Mirabelle nippen,gibt man mir schließlich einen Trinktipp: Eher zu warm als zu kalt sollte man trinken, wenn man einen guten Obstbranntwein genießen will, denn kalt servieren verdeckt Aromen, vor allem schlechte. »Wenn man einen stark gekühlten Obstler hingestellt kriegt, dann hat entweder der Wirt keine Ahnung oder der Schnaps ist schlecht.« Zum Glück bin ich nicht mit dem Wagen da...

Wer zum Thema Obstbrände spezielle Fragen oder Appetit bekommen hat, kann sich gerne mit Andreas Hahn in Verbindung setzen: Brennerei Hahn,54636 Niederweiler, Tel.: 06569-856